Die andere Seite_3

Überraschung! (Mehr für mich, als für Euch.) Wir sind nicht alleine nach Hawaii gereist. Die Ameisen sind mitgekommen. Offensichtlich sind sie hier in meinem Bauch am Hula-Hula Dauer-Tanzen. Noch 1 Tag und 2 Nächte vor dem Rennen. Ich bin aufgeregt. Sehr. Dirk darf den Post nicht lesen, denn ich mache wieder auf total relaxt.  Wahrscheinlich liest er es und meine Tarnung fliegt auf. 

Verwundert ist er dann aber sicher nicht.  Er kennt mich ja. Und: Man ist ja immer schnell mit Formulierungen, wie: „Spannung liegt in der Luft.“ Aber ohne Mist, hier in Kona ist das schon so. Irgendwie.

Die Stimmung ist beinahe choreografiert. Zuerst schlägt die Stunde der Poser.... da gehen die Durchtrainiertesten oberkörperfrei laufen auf der „Kö“ von Kona, dem Ali‘i Drive.  Stimmung: Ultra-lässig! 

Dann wird’s voller in der Stadt. Immer mehr Athleten kommen an und es wird so ein „Sehen und gesehen werden“ in den Läden wie dem „Lava Java“ (wir waren immer noch nicht drin). Stimmung: immer noch ultra-lässig, nur voller!

Dann: Partyyyyy. Mit der Nationenparade (die leider etwas arg  von einem Anbieter von Hawaiireisen zum Ironman geprägt ist), Eröffnung der „Expo“ und: Underpants Run. Stimmung: aufgeregt, aufgedreht und vielleicht auch ein bisschen aufgesetzt! Naja... Machste mit, haste Spaß! Schon okay! Wir hatten wirklich Spaß!

Und dann.... (Und in dieser Phase sind wir jetzt) wird es ruhiger. Alle ziehen sich etwas zurück. Stimmung: Flitzebogenmäßig aaaaangespaaaaannnnnt. Ruhig. 

Auch hier. Wir reden weniger. Ich vertreibe mir mit meinen Ameisen-Freunden die Zeit und lasse Dirk ein bisschen in Ruhe. Er quält sich Cola und Gummibärchen rein („Zum Kohlenhydrate auffüllen“). Da ist es wieder, dieses Gefühl der Ungerechtigkeit. Er macht „bäh...würg“, wenn er wieder Colafläschchen aus der Tüte holt... und ich... naja.... mir schmeckt‘s. 

 

A propos. So als Unsportliche unter diesen fitten Leuten hier. Ich hab‘s mir schlimmer vorgestellt. Ich meine, klar, es gibt hier schon die oberkrass Trainierten, ohne ein Gramm Fett. War ja zu erwarten. Aber, hier tummeln sich auch normale Leute. Alles soweit gut also. 

Und jetzt zum diesmaligen „Problem“. Das Wort ist nicht ganz treffend. Sagen wir, ich hätte gern Support. Für den Support. Also, für das Anfeuern!

In Frankfurt, wenn die Freunde da sind (Liebe Grüße an Euch!) haben wir Spaß zusammen und brüllen „Dirkiiiii“ und „Flitziiiiii“ (Kommt eigentlich von Flitzkopf oder Flitz-Pipe, passt aber hier auch so gut. So ein Flitzi flitzt eben. Und darum geht’s ja:) )

Das brülle ich auch alleine. Nur: Beim Laufen, wenn es hart ist, dann kommt man ja ins „Gespräch“ und mein Flitzi sagt dann sowas, wie : „ Geht. Mir. Nicht. Gut. Krämpfe gehabt.“ oder: „ *nuschel,nuschel* ......langer Tag.“ oder: „ Zwischenzeit!?“ (das ist das Schlimmste! Hab jetzt schon Angst davor! Ich sollte heute noch Ohrenschmerzen mit Hörproblemen vortäuschen.)

Aber ich will Dirk ja wirklich bestmöglich unterstützen. Was positives sagen. Also, sag ich sowas, wie:“Komm! Schaffste!!! Is nich mehr lang!“ (Die restlichen 29 Kilometer, die er noch muss, verschweige ich. Weiss er ja selbst.)

Profis rufen sowas, wie:“ Das sieht gut aus!“ Jahaa, das hab ich mir bei Jennifer abgeguckt. (Auch hier: liebe Grüße! Du bist die allerbeste Anfeuer-Queen und dabei selbst noch ein Radsport-Ass!)

Beim letzten Ironman in Frankfurt. Ich hatte schon alles aus meiner Support-Sätze-Kiste rausgeholt. Und ich.... wußte einfach nix mehr zu sagen. Ehrlich. Und ja, das kommt bei mir jetzt nicht soo oft vor. Ich wollte so sehr. Und mir fiel nix passendes ein. In meiner Verzweiflung, hab ich dann gerufen: „Du wollt‘st es so!“

Weil es auch einfach genau so ist. Er weiß, er wird sich quälen. Und trotzdem will er das. Er freut sich sogar darauf.  

Und ich denke mir: jetzt für DEN Wettkampf der Wettkämpfe, da könnte ich noch ein bisschen mehr in Petto haben. 

Frage also an die Sportler: Was hilft Euch im Rennen? Was will man da hören? 

Frage an die Supporter: Was ruft Ihr so? Ich meine konkret. Und ich meine eigentlich gar nicht unbedingt die schnellen „Anfeuer-Situationen", sondern eher die, wo man auch „spricht“.

Natürlich weiß ich, das Wichtigste ist, da zu sein! Und das bin ich liebend gerne! Und die Hula-Hula tanzenden Ameisen auch. Offensichtlich. (Ganz ruhig. Atmen. ohhhmmmmm....)   Habe gerade einen Schreck bekommen. Da oben steht: 13. Oktober. Das hieße, es ist morgen soweit. Aber hier in Hawaii sind wir 12 Stunden früher. Puh! Noch ein bisschen mehr Zeit. Ohhhhmmmmm. 

 

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 8
  • #1

    jennifer (Freitag, 13 Oktober 2017 10:16)

    Wieder mal super geschrieben :-) Ich habe immer gleich lauter Bilder im Kopf :-)
    Beim Jürgen Bäuerle hilft es immer ihm ein lächeln abzuringen ;-)

  • #2

    Tina (Freitag, 13 Oktober 2017 10:29)

    Vielen lieben Dank! Ja, das mit dem Jürgen, daran erinnere ich mich noch. Und ich werde selbstverständlich auch versuchen, ihn ebenfalls anzufeuern! Und beim Dirk kann ich’s auch testen! Find ich jut! :)

  • #3

    Steffi (Freitag, 13 Oktober 2017 10:58)

    Hmmm Tipps nein... aber vielleicht hilft es zu wissen dass viele viele Freunde hier in Deutschland schreiend vor dem TV sitzen/stehen/rumlaufen werden und zwischen Nagelkauen und Bibbern einfach "auf geeeeht's! Komm schooon" schreien werden :)
    Zumindest schrei ich mich schon mal warm ;)
    LG

  • #4

    Tina (Freitag, 13 Oktober 2017 11:02)

    Liebe Steffi, gerade echt und ungelogen Gänsehaut beim Lesen bekommen. Ja, das hilft! Und außerdem kann ich das im Zweifel ja auch sagen/rufen. Hilfe! Die Ameisen sind jetzt außer Rand und Band...! :) Liebe Grüße

  • #5

    Ralph (Freitag, 13 Oktober 2017 12:50)

    Kaum war ich mit den ersten Sätzen durch, war ich schon bei euch. Und ich denke, genau das würde Dirk sicher auch vorwärts treiben. Beschreib ihm einfach so herrlich bildhaft, wer zuhause vor den Bildschirmen, den Computern, in Gedanken und/oder tief im Herzen bei ihm ist und ihn Meter für Meter vorwärts schreit.

  • #6

    Heinz (Freitag, 13 Oktober 2017 13:34)

    ..also gehts ja nicht um die üblichen Anfeuerungsrufe, sondern darum ihn in schlechten Phasen zu motivieren, wahrscheinlich hauptsächlich beim abschließenden Lauf.
    -Erinnere ihn an das Ziel, mit dem er auf Hawaii angetreten ist und sprich ihm Mut zu das dieses in Reichweite ist.
    -Sag ihm, das Resignation oder Aufgabe die falsche Entscheidung, sind er würde sich nachher lebenslang darüber ärgern und die Situation verfluchen.
    -Er muss sein Ziel visualisieren und sich vorstellen wie es ist hindurch zu laufen, das Gefühl, die Freude schon jetzt zu spüren, daran denken wie man nachher zusammen feiert...
    -Er hat mit Sicherheit für sich selbst ein Konzept für die “schwierigen Zeiten” entwickelt, motivationshilfen, z B ein Mantra, einen schönen Gedanken/ Erlebnis, was auch immer ihn aus seinem Loch herausholt, in seinem miesen Zustand vergisst er das aber, also erinnere ihn daran, frag ihn vor dem Rennen welche Gedanken ihn aus der Lethargie herausreißen können.

    Bei allem musst du dich davon überzeugen, das er es geistig auch wirklich aufgenommen hat.
    Viel Erfolg!

  • #7

    Tina (Freitag, 13 Oktober 2017 19:30)

    Hi Ralph, vielen Dank! Das ist auch eine tolle Idee! Ihm zu erzählen, wer jetzt an ihn denkt, an ihn glaubt, mitfiebert & ins Ziel trägt-das gefällt mir! Danke Dir!

    Hi Heinz, 1000 Dank Dir für die gut durchdachten und auch wirklich konkreten, sehr hilfreichen Tipps! Sehr hilfreich!
    Ich finde es toll, dass Ihr so klasse Hinweise habt! Danke! Aus vollem Herzen!

  • #8

    Holger (Montag, 16 Oktober 2017 22:46)

    Moinsen. Wieder ein schöner Text. Helfen für Hawaii kann ich jetzt nicht mehr, aber wenn du am Rand anfeuerst, sag nie "du siehst gut aus". Wenn ich früher sowas gehört habe, dachte ich immer, wenn ich jetzt gut aussehe, was denken die Leute wie ich aussehe wennn ich mal schlecht aussehe! Nimm immer das "noch gut aussehen". OK, der oder die eine oder andere Athlet/in ist das vielleicht etwas pikiert, aber es klingt ehrlicher. Ich verwende lieber diese Formulierung. Am besten ist aber, "lächle, das macht Spaß". OK, ist in einem Ironman beim laufen auch blöd da der Spaß relativ wird, aber es muntert auf. Beim abschließenden Lauf zählt nur noch das Lächeln :-)

im Netz:
im Netz: